Gleichstellungspolitische Impulse für das Saarland
14. Februar 2022
Die Arbeiterwohlfahrt Landesverband Saarland e.V., der Sozialdienst katholischer Frauen e.V. | Ortsverein Saarbrücken, die Fachstelle Jungenarbeit Saarland und die Bundesfach– und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz haben sich zu den aktuellen gleichstellungspolitischen Herausforderungen für die künftige Legislaturperiode im Saarland verständigt.
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Im Saarland ist bereits eine ganze Reihe von Projekten und Einrichtungen tätig, um die Gleichberechtigung aller Geschlechter systematisch voranzubringen, und um ein gewalt– und diskriminierungsfreies Miteinander zu gewährleisten. Grundlagen sind u. a. das Landesgleichstellungsgesetz Saarland, der saarländische Aktionsplan zur Bekämpfung häuslicher Gewalt II und der Landesaktionsplan „Vielfalt sexueller und geschlechtlicher Identität akzeptieren – gegen Homo– und Transfeindlichkeit“.
Über das „Saarländische Bündnis gegen häusliche Gewalt“ wurde bereits vor 20 Jahren mit der Einrichtung der „Koordinierungsstelle gegen häusliche Gewalt“ die Grundlage geschaffen, um die Maßnahmen des Saarländischen Aktionsplans zur Bekämpfung häuslicher Gewalt (2001) umzusetzen und mit relevanten Akteur*innen (Runder Tisch gegen häusliche Gewalt) weiterzuentwickeln. Die Weiterentwicklung mündete in der Erstellung des Aktionsplanes II in 2011. Aktuell ist die Erstellung eines neuen Aktionsplanes im Rahmen der Umsetzung der Istanbul–Konvention beschlossen.
Die Arbeiterwohlfahrt Landesverband Saarland e.V. ist Trägerin der Frauenhäuser im Saarland sowie verschiedener Angebote im Antigewaltbereich. Das Angebot der stationären Frauenopferschutzhilfe im Kontext von Beziehungsgewalt besteht seit mehr als 40 Jahren. Die Frauenhäuser bilden mit den Angeboten des Zentrums für Prävention (Täterarbeit mit Jugendlichen und Erwachsenen bei verschiedenen Gewaltformen, Beratungsangebot für von sexueller Gewalt betroffene Jungen, präventive Angebote) das Arbeitsfeld Gewaltschutz. Über die Fachstelle Perspektive (Täterarbeit bei Gewalt im häuslichen Bereich) und die Angebote des Zentrums besteht entsprechende Expertise zum geschlechtsspezifischen Arbeitsansatz mit Jungen und Männern.
Die Beratungs– und Interventionsstelle für Opfer häuslicher Gewalt des Sozialdiensts katholischer Frauen e.V. | Ortsverein Saarbrücken bietet Krisenberatungen und Unterstützungsmaßnahmen für Betroffene häuslicher Gewalt unabhängig des Geschlechts an. In Beratungseinheiten werden die Bedarfe von betroffenen Kindern und Jugendlichen thematisiert und die Erziehungsberechtigten sensibilisiert. Diese Unterstützungsarbeit wird seit fast 15 Jahren erfolgreich angeboten und konzeptionell weiterentwickelt.
Durch die Fachstelle Jungenarbeit Saarland werden die Belange von Jungen im Saarland vertreten und systematisch vorangebracht. Bereits im Aktionsplan zur Bekämpfung häuslicher Gewalt II wird die Gewaltbetroffenheit von Jungen und Männern anerkannt und die Entwicklung eines spezifischen Beratungskonzepts und –angebots vorgeschlagen. Diese gewinnt über die Ratifizierung der Istanbul–Konvention eine neue Gewichtung.
Mit den nachstehenden Vorschlägen ist die Absicht verbunden, Impulse für eine gleichstellungsorientierte Politik im Saarland zu geben. Ausgangspunkt und Grundlage ist dabei, dass die Vorschläge im Sinne eines gendersensiblen Dialogs nicht zu Lasten bestehender gleichstellungspolitischer Projekte gehen und es gelingt, im Zusammenhang mit Gender Mainstreaming Prinzipien und Strategien des Gender Budgeting ausreichende finanzielle Mittel für eine umfassende Gleichstellungspolitik im Saarland bereitzustellen. Dazu bedarf es engagierter Anstrengungen. Im Landeshaushalt müssen die Zuwendungen für Familien– und Gleichstellungspolitik, insbesondere für das Hilfenetz gegen häusliche und sexualisierte Gewalt maßgeblich erhöht werden.
Zum erforderlichen Ausbau einer geschlechtergerechten Struktur der Hilfelandschaft für das Saarland sollten künftig auch die Belange und der Bedarf von Jungen und Männern stärker in den Blick genommen werden.
Für eine innovative Gleichstellungs– und Jungen–, Väter– und Männerpolitik im Saarland fordern wir:
- die Etablierung von Ansprechpartner*innen für Jungen– und Männerpolitik in der Landesregierung
- die Weiterentwicklung des Landesaktionsplanes gegen Häusliche Gewalt aus dem Jahr 2011
- Über den bereits beschlossenen Ausbau der Koordinierungsstelle gegen Häusliche Gewalt und der Schaffung eines Runden Tisches zur Umsetzung der Istanbul–Konvention braucht es eine Bedarfsanalyse und die Überarbeitung des Aktionsplanes zur Bekämpfung häuslicher Gewalt.
- Die bedarfsgerechte Weiterentwicklung des Hilfesystems sollte Unterstützungsangebote für alle Gewaltbetroffenen unabhängig von ihrem Geschlecht beinhalten und dafür nötige Arbeitsansätze entwickeln.
- Die Fortschreibung des Landesaktionsplans gegen häusliche Gewalt sollte auch die Verankerung von konkreten Maßnahmen zum Schutz männlicher Betroffener von häuslicher Gewalt und Stalking sowie die Etablierung von Männergewaltschutzeinrichtungen beinhalten.
- Im Sinne der opferschutzorientierten Täterarbeit sollte eine Sensibilisierung in Richtung eines gendersensiblen Arbeitsansatzes stattfinden, so dass Gewaltausübende aller Geschlechter angesprochen werden. Über die Kooperation mit Opferschutzstellen sollte ein Angebot für Paare etabliert werden.
- die Einbeziehung von Akteur*innen aus der Männergewaltschutzarbeit in Lenkungsausschüssen und Gremien im Handlungsfeld Gewaltschutz auf Landesebene
- die Etablierung einer Fachstelle Männerarbeit und den damit verbundenen Auf– bzw. Ausbau von Beratungsangeboten für Jungen und Männer
- Die bestehende Beratungs– und Interventionsstelle sollte hinsichtlich geeigneter Zugänge und bedarfsgerechter Angebote für Jungen und Männer weiter sensibilisiert werden und ihren Arbeitsansatz entsprechend ausrichten und weiterentwickeln.
- In einem „Modellprojekt Jungen– und Männerberatung“ sollten passgenaue Angebote erprobt werden, insbesondere im ländlichen Raum.
- Als Grundlage der Beratungsgebote ist neben dem geschlechtsspezifischen Ansatz und entsprechender Auswahl des Fachpersonals eine Expertise im bzw. Vernetzung zum Gewaltschutz zu forcieren.
- die pilothafte Erprobung bzw. Etablierung von geschützten Unterkünften für männliche Betroffene von häuslicher Gewalt und Stalking und deren Kinder
- Neben dem bedarfsgerechten Ausbau des Hilfesystems gegen häusliche und sexuelle Gewalt in seiner Gesamtheit sollte gleichermaßen die gesicherte und auskömmliche Finanzierung von Frauenschutzeinrichtungen sowie der Ausbau von Hilfestrukturen für gewaltbetroffene Männer und deren Kinder mittels der Erprobung von Männerschutzwohnungen erfolgen. Die rechtliche Grundlage bildet die Ratifizierung der Istanbul–Konvention, die ausdrücklich die Anwendung der vereinbarten Schutzmaßnahmen auf alle Opfer von häuslicher Gewalt empfiehlt.
- die Förderung einer geschlechterreflektierenden Bildungsarbeit, um demokratie– und fremdenfeindlichen Akteur*innen in Politik und Verwaltung vehement entgegenzutreten
- die Wahrnehmung der Bedeutung von Männlichkeiten in Bezug zu rechtsextremen, demokratiefeindlichen Anschlägen sowie die Förderung eines Präventionsprojekts, welches Männlichkeitsbilder analysiert und mit Jungen und Männern thematisiert und pädagogisch bearbeitet
- die Entwicklung und Förderung von Maßnahmen zur Beteiligung von Männern bzw. Vätern an der Erziehungs–, Care– und Sorgearbeit
- die Förderung von Projekten der gendersensiblen Gesundheitsförderung
Kontakt:
Mascha Nunold Bereichsleiterin Frauenhäuser AWO Familie | AWO Landesverband Saarland e.V. Postfach 101320 | 66013 Saarbrücken 0681 99 18 0 15, eMail |
Andrea Wolter Geschäftsführerin Sozialdienst katholischer Frauen e.V. | Ortsverein Saarbrücken Richard–Wagner–Straße 17 | 66111 Saarbrücken 0681 93 62 59 14, eMail |
Simon Pfeiffer Leiter Fachstelle Jungenarbeit Saarland Fachstelle Jungenarbeit Saarland | Gemeinnützige Gesellschaft für Paritätische Sozialarbeit Försterstraße 39 | 66111 Saarbrücken 0681 93 85 11 19, eMail |
Frank Scheinert Geschäftsführender Fachreferent Bundesfach– und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz bei der Erna–Berger–Str. 17 | 01097 Dresden 0351 27 56 68 88, eMail |