Gewalthilfegesetz noch in dieser Legislatur - Offener Brief von BFKM, Bundesforum Männer und SKM Bundesverband
17. Juni 2024
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und JugendBundesministerin Lisa Paus11018 Berlin |
Bundesministerium des Innern und für HeimatBundesministerin Nancy FaeserAlt-Moabit 14010557 Berlin |
Bundesministerium der JustizBundesminister Marco BuschmannMohrenstraße 3710117 Berlin |
Gewalthilfegesetz noch in dieser Legislaturperiode
OFFENER BRIEF
des Bundesforum Männer – Interessenverband Jungen, Männer und Väter,
des SKM Bundesverbandes
und der Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz
Offener-Brief-BFKM-SKM-BFM-als-pdf
Sehr geehrte Frau Bundesministerin Paus, Sehr geehrte Frau Bundesministerin Faeser, Sehr geehrter Herr Bundesminister Buschmann,
die Steigerung der Fallzahlen um 6,5 % im aktuellen „Lagebild Häusliche Gewalt 2023“ (veröffentlicht am 07. Juni 2024)[1] macht einmal mehr deutlich: Wir brauchen das Gewalthilfegesetz jetzt! Schutz vor Gewalt muss noch in dieser Legislaturperiode unmissverständlich gestärkt werden. Die Zeit drängt, denn alle Gewaltbetroffenen benötigen flächendeckende, bedarfsgerechte und verlässliche Unterstützungs-, Beratungs- und Schutzangebote und daneben eine starke Präventionsarbeit.
Dreiviertel der Tatverdächtigen im Bereich der „häuslichen Gewalt“ sind laut dem aktuellen BKA-Lagebild Männer. Nicht nur im Bereich häuslicher Gewalt sind Männer überwiegend die Täter. Gewalt zu erfahren aber auch sie auszuüben, ist für zu viele Jungen und Männer Normalität. Wirksamer Opferschutz und Prävention sind notwendig, um Gewalt wirksam zu bekämpfen. Täterarbeit und geschlechterreflektierte Jungen- und Männerarbeit dienen der primären Gewaltprävention und sind daher flächendeckend auszubauen. Hierfür brauchen die Fachmenschen, die sich präventiv und kurativ in der Arbeit gegen Gewalt engagieren, vielfältige und sehr gute Weiterbildungsangebote wie sie u.a. in Artikel 15 der Istanbul Konvention gefordert werden, um diese anspruchsvolle Arbeit leisten zu können.
29,5 Prozent (75.561) der von häuslicher Gewalt Betroffenen waren laut “Bundeslagebild Häusliche Gewalt 2023“[2] Jungen oder Männer. Das gerät oft aus dem Blick. Doch wirksamer Opferschutz ist auch für Männer wichtig.
Die Istanbul-Konvention[3] ist für die Bundesrepublik Deutschland bindend. Sie bildet die Basis für das künftige Gewalthilfegesetz, das daher auch Prävention und täter*innenorientierte Angebote umfassen muss.
Die am 24. April 2024 vom EU-Parlament beschlossene EU-Richtlinie „Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt“[4] muss Deutschland bis 2027 umsetzen. Das umfasst gemäß ihrem Artikel 1, Absatz 2 den verbesserten Gewaltschutz für alle Opfer häuslicher Gewalt, unabhängig von deren Geschlecht. Nach ihrem Artikel 30 müssen für alle Opfer von häuslicher und sexueller Gewalt in ausreichender Anzahl und leicht zugängliche Schutzunterkünfte bereitgestellt werden.
Ebenso wie die spezialisierten Unterstützungsdienste (Beratungsstellen) haben die Mitgliedsstaaten dann auch für Schutzunterkünfte sicherzustellen, dass ausreichende personelle und finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen und nichtstaatliche Organisationen (insbesondere Träger) mit angemessenen Finanzmitteln ausgestattet werden sofern sie die staatlichen Aufgaben übernehmen.[5]
Wir fordern Sie daher auf, den lange angekündigten Referent*innen-Entwurf des Gewalthilfegesetzes jetzt zu veröffentlichen, und das Gewalthilfegesetz noch in dieser Legislatur zu verabschieden.
Da Gewaltschutz in Deutschland in der Verantwortung der Bundesländer liegt, sollten in allen Ländern zügig entsprechende landesrechtliche Regelungen, inkl. der Anpassung der Gewaltschutz-Förderrichtlinien durchgesetzt werden. Wir begrüßen ausdrücklich, dass der Bund Bereitschaft signalisiert, sich finanziell an der Umsetzung zu beteiligen.
Die gemeinsamen Bemühungen um eine verbesserte Datenbasis für Beratungs- und Hilfeeinrichtungen werden eine bedarfsgerechte und zielgenaue Schaffung von Angeboten und zur Information gewaltbetroffener Männer ermöglichen. Für den Anfang sind 3 bis 5 Männerschutzwohnungen pro Bundesland zu gewährleisten.
Gewaltschutz und Präventionsmaßnahmen, die jetzt dringend gebraucht werden:
- Flächendeckende geschlechterreflektierte Jungen- und Männerarbeit zur Förderung der primären Gewaltprävention
- Ausbau flächendeckender Krisen- und Gewaltberatung für Männer, sowie der Täter*innenarbeit zur Förderung der sekundären und tertiären Gewaltprävention
- Ausweitung von niedrigschwelligen und multilingualen Hilfs- und Beratungsangeboten für von häuslicher Gewalt betroffener Männer
- Ausbau des „Hilfetelefons Gewalt an Männern“ zu einem bundesweiten Hilfetelefon mit 24/7 Erreichbarkeit
- Absicherung der vorhandenen Gewaltschutzwohnungen für Männer und Schaffung von mindestens drei bis -fünf Schutzwohnungen pro Bundesland
- Integration der Perspektive gewaltbetroffener Jungen und Männer in die bundes-, landes- und kommunalweiten Gewaltschutzrichtlinien und Fördermaßnahmen
- Ausbau des Opferschutzes für Frauen
- Finanzielle Absicherung vorhandener Beratungseinrichtungen und Frauenhäuser
Die Unterzeichner*innen engagieren sich seit vielen Jahren gegen häusliche Gewalt und stehen gern zum gleichstellungspolitischen Dialog zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Schutz- und Beratungsangebote für gewaltbetroffene Männer zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz Frank Scheinert Erna-Berger-Str.17, 01097 Dresden Mail: frank.scheinert@maennergewaltschutz.de Fon: 0351 275 66 888 |
Bundesforum Männer e.V. Dr. Dag Schölper Reginhardstr. 34, 13409 Berlin Mail: dreier@bundesforum-maenner.de Fon: 030 275 811 25 |
SKM Bundesverband e.V. Stephan Buttgereit Sternstr. 71 – 73, 40479 Düsseldorf Mail: buttgereit@skmev.de Fon: 0211 233 948 0 |
[1] https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/JahresberichteUndLagebilder/HaeuslicheGewalt/HaeuslicheGewalt2023.html?nn=219004
[2] a.a.O.
[3] https://rm.coe.int/1680462535
[4] https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/TA-9-2024-0338_DE.html#title2
[5] a.a.O., Art. 30 Abs. 4 i.V.m. Art. 25 Abs. 3 RL.