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Fachtagung Männer*gewaltschutz - Oben und Unten nicht entkoppeln

9. September 2020

Fachpolitische Maßnahmen als Papier im Entstehen

Der zweite Tag unserer Fachtagung brachte zuerst den Aufschlag zur perspektivischen Zusammenarbeit im bundesweiten Netzwerk Männer*gewaltschutz und zum Positionspapier „Fachpolitische Maßnahmen für Männer*gewaltschutz in Deutschland“. Es soll als Tagungsergebnis von Teilnehmer*innen unterzeichnet werden und beinhaltet Empfehlungen für die Entwicklung des Handlungsfeldes Männer*gewaltschutz. Das BFKM-Team bittet Fachkräfte, bis zum 23. September das Papier im dafür angelegten Online-Forum durch Beiträge und Kommentare finalisieren zu helfen.

Gruppenfoto der Teilnehmenden
Screenshot/ Gruppenfoto einige*r Teilnehmer*innen

 

Nach einer Austauschphase in Kleingruppen bildete die Podiumsdiskussion den Höhepunkt des Tages. Sie wurde von Christian Kurzke (Evangelische Akademie Sachsen und Vorstandsmitglied des LAG Jungen- und Männerarbeit Sachsen e.V.) moderiert. Diskutierende auf dem virtuellen Podium waren Hans-Joachim Lenz, Björn Süfke, Wolfgang Rosenthal und Frank Scheinert. Das Publikum kommentierte und beteiligte sich über die angebotenen Online-Tools Voxr und Zoom-Chat. Viele Teilnehmende mischten sich so aktiv in das Fachgespräch ein und es entstand eine lebendige und produktive Atmosphäre.

Hans-Joachim Lenz betonte im Podium, dass Gewaltschutz als gesamtgesellschaftliche Aufgabe gesehen werden muss. Dies sei im Sinne von notwendiger Hilfe für betroffene Personen zu sehen, und auch im Sinne von Geschlechtergerechtigkeit. Männer*gewaltschutz dürfe sich nicht gegen Frauen richten. Björn Süfke, der unter anderem beim Männerhilfetelefon Betroffene berät und begleitet, wies darauf hin, dass im politischen Feld „die Freunde“ unterschieden werden sollten, die einem „zujubeln“, wenn Maßnahmen voran kommen: politischer Unterstützung mit antifeministischen Tendenzen sei unbedingt „die Freundschaft zu verwehren“, so der Beratungsprofi. Es gebe seiner Beobachtung nach in der Unterstützung des Männergewaltschutzes eine Tendenz zum Pragmatismus der konservativen Parteien, ergänzte der Männerforscher Hans Joachim Lenz. Parteien im linken Spektrum steckten dagegen oft in Täter-Opfer-Schemata und eingefahrenen Diskursen fest. Es fiele ihnen tendenziell schwerer, in den Modus „Pro-Förderung“ umzuschalten.

Praktiker*innen nicht allein lassen

Jenseits dieser wichtigen Lobby- und Unterstützungsdiskussion meldeten sich die Praktiker*innen aus dem Feld zu Wort. Verstärkte Öffentlichkeitsarbeit sei nötig, um gewaltbetroffene Männer* auf die Möglichkeiten zu Hilfe und Unterstützung aufmerksam zu machen. Gern gesehen wären etwa Auftritte der Protagonist*innen des Männer*gewaltschutzes in Talkshows und in aktuellen Medien. Ein weiterer wichtiger Hinweis von der Basis der praktischen Männer*arbeit war auch, dass mit der Zeit die Gefahr eines Art „Oben“ und „Unten“ im Arbeitsfeld Männer*gewaltschutz wachse. Politische Lobbyarbeit nütze nichts, wenn sie sich von der Basis entkoppele. Dort werde schließlich die Basis der Männer*arbeit mit jedem stattfindenen Beratungsgespräch verbreitert.

Männer* dürfen von Gewalt betroffen sein

Eine weitere Frage der Podiumsdiskussion war, was es von Gewalt betroffenen Männern* leicht macht, sich Hilfe zu holen. Björn Süfke vom Männerhilfetelefon und Wolfgang Rosenthal von der MännerWohnHilfe Oldenburg kamen dabei zu einer bemerkenswerten Kernaussage: Die öffentiche Präsenz von Hilfeangeboten wie spezifischen Schutzwohnungen und Hilfetelefonen erzeugt bei Männern* ein Gefühl: Männer* dürfen von Gewalt betroffen sein, und Betroffene sind damit nicht allein. Verständnis und Einfühlungsvermögen in den Hilfeeinrichtungen seien nötig und selbstverständlich, so Rosenthal. Je mehr Anfragen und Öffentlichkeit es für das Thema gebe, desto mehr „gesellschaftliche Erlaubnis“ hätten also Betroffene, sich zu melden. Frank Scheinert nahm einen Impuls aus dem Fachaustausch auf: „Wir brauchen künftig auch eine breitere Diskussion zum Thema Gewalt gegen Männer in allen Erscheinungsformen“, so der Geschäftsführende Fachreferent der BFKM.

Männerhilfetelefon: Jeder zweite Anruf zu akuter häuslicher Gewalt

Björn Süfke ergänzte für das seit April 2020 geschaltete Männerhilfetelefon, dass es mit dessen Existenz plötzlich viel mehr Betroffene gäbe, die sich melden. Telefonberatung und Beratung per Mail seien einfach, notfalls anonym, niedrigschwellig und leicht zu erreichen. Demgegenüber gäbe es eine relativ hohe Schwelle, zuerst direkt und persönlich in eine Beratungsstelle aufzusuchen. Aktuell berichte zudem jeder zweite Mann*, der beim Männerhilfetelefon anrufe, von akuten häuslichen Gewaltsituationen. Etwa jeder fünfte sei zudem mit sexualisierter Gewalt konfrontiert, weniger Meldungen dagegen kämen aus dem Bereich öffentlicher Gewalt.

Resümee der Veranstalter

Die Online-Fachtagung Männer*gewaltschutz in Deutschland – Entwicklungen – Vernetzung – Perspektiven schafft eine gelungene Brücke von der Theorie in die Praxis der Männer*schutzeinrichtungen. Dafür waren die Inputs und besonders die Workshops sehr hilfreich. Fachpolitische Maßnahmen sind als Fachpapier im Entstehen. Zukünftig möchte die BFKM der teilweise wahrgenommenen Entkopplung von Oben und Unten in der Männer*gewaltschutzszene weiter entgegen wirken. Das Thema Männer*gewaltschutz ist schon und wird noch bedeutender und es braucht Aufmerksamkeit auf allen Ebenen.

* Wir respektieren sexuelle und geschlechtliche Vielfalt.

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