BKA veröffentlicht Bundeslagebild Häusliche Gewalt 2023 - das Gewalthilfesystem in Deutschland wird den Bedürfnissen der betroffenen Frauen und auch der Männer derzeit nicht gerecht.
13. Juni 2024
Bundesfamilienministerin Lisa Paus zeigte sich am vorletzten Freitag entsetzt über den Anstieg der Betroffenenzahlen um 6,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die gestiegenen Zahlen zeugten vom erschreckenden Ausmaß einer traurigen Realität. Gewalt sei ein alltägliches Phänomen – und nicht hinnehmbar. Vor diesem Hintergrund bekräftigte sie ihre Absicht, das von der Bundesregierung geplante Gewalthilfegesetz zügig umzusetzen, damit alle von häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt Betroffenen einen bedarfsgerechten Zugang zu Schutz und Beratung erhalten.
Die zweite Auflage des Lagebildes Häusliche Gewalt des Bundeskriminalamtes belegt einen Anstieg von 6,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr: 256.276 Menschen in Deutschland waren 2023 von häuslicher Gewalt betroffen. Davon waren 70,5 Prozent weiblich und 29,5 Prozent männlich. Es handelt sich hierbei um das sogenannte Hellfeld, d.h. um die zur Anzeige gebrachten Straftaten. Die Betroffenenzahlen setzen sich aus den angezeigten Delikten in den Bereichen der Partnerschaftsgewalt und der interfamiliären Gewalt zusammen.
Im Tatbezug der Partnerschaftsgewalt lebte die Hälfte der Betroffenen mit der tatverdächtigen Person zusammen. Sowohl Betroffene als auch Tatverdächtige waren mehrheitlich zwischen 30 und 40 Jahre alt, im Bereich der innerfamiliären Gewalt waren am Häufigsten unter 21 Jahre alte Menschen betroffen. 155 Frauen und 24 Männer wurden im Jahr 2023 von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. Von den 88.411 Opfern innerfamiliärer Gewalt waren 54 Prozent weiblich und 46 Prozent männlich. Insgesamt ist fast ein Viertel der Betroffenen jünger als 14 Jahre. Im Jahr 2023 wurden 92 weibliche und 63 männliche Personen Opfer von innerfamiliärer Gewalt mit tödlichem Ausgang.
Bei den männlichen Betroffenen ist ein Anstieg um 8,77 Prozent (2023: 75.561) im Vergleich zum Vorjahr (2022: 69.471) zu verzeichnen. Frank Scheinert, geschäftsführender Fachreferent der Bundesfach- und Koordinierungsstelle: Die polizeilichen Kriminalstatistiken der Landeskriminalämter und des Bundeskriminalamtes, das aktuelle Lagebild Häusliche Gewalt 2023 und zahlreiche Studien belegen, was wir auch aus den Beratungs- und Schutzprojekten hören: Häusliche Gewalt betrifft auch Männer. Das gerät oft aus dem Blick, aber effektiver Gewaltschutz ist auch für Männer wichtig. Das Gewalthilfesystem in Deutschland wird den Bedürfnissen weder der betroffenen Frauen noch der Männer derzeit gerecht. Das zeigt einmal mehr: Die zügige Verabschiedung des Gewalthilfegesetzes ist dringend erforderlich.
Diese Zahlen aus der Polizeilichen Kriminalstatistik des Bundes in Verbindung mit aktuellen wissenschaftlichen Studien lassen darauf schließen, dass häusliche Gewalt gegen Männer kein Randphänomen ist. In der repräsentativen quantitativen Studie „Gewalt gegen Männer in Partnerschaften” von Schemmel u.a. (2024, KfN, WEISSER RING) gaben 54,1 % aller befragten Männer an, in ihrem Leben bereits von Gewalt in der Partnerschaft betroffen gewesen zu sein. Vor diesem Hintergrund führen BMFSFJ, BMI und BKA derzeit mit der geschlechtsübergreifenden Opferbefragung „Lebenssituation Sicherheit und Belastung im Alltag (LeSuBiA)“ eine unabhängige, bundesweite Opferbefragung zu Gewalterfahrungen durch. Ziel der Studie ist es, das Dunkelfeld im Bereich der Gewaltkriminalität geschlechterübergreifend zu untersuchen. Der Ergebnisbericht wird für 2025 erwartet.
* Wie wir gendern.