Aktuelle Lage
Das vorliegende Bundeslagebild Häusliche Gewalt 2023 ist die kriminalstatistische Auswertung des Bundeskriminalamtes (BKA) der Anzeigen bundesweit. Es zeigt nach 2022 erneut einen Anstieg der Fälle von häuslicher Gewalt, im Vergleich zu 2022 um reichlich sechs Prozent. Häusliche Gewalt beinhaltet sowohl Partnerschaftsgewalt (Gewalt in aktuellen oder ehemaligen Partnerschaften), als auch innerfamiliäre Gewalt, also Gewalt durch Familienangehörige.
Die Zahl der angezeigten Taten stieg demnach von 240.547 Betroffenen im Jahr 2022 auf 256.276 Betroffene in 2023. Ganz überwiegend trifft diese Gewalt Frauen: 70,5 Prozent der Opfer sind weiblich. Jedoch ist mehr als jede vierte betroffene Person männlich, 29,5 Prozent. Absolut brachten im Jahr 2023 insgesamt 75.561 Männer eine erlebte Gewalttat im Bereich partnerschaftlicher oder innerfamiliärer Gewalt zur Anzeige. Mit dieser Personenzahl könnten zwei mittlere Fußballstadien voll besetzt werden.
Diese Zahlen bilden jedoch nur das polizeiliche Hellfeld ab, das heißt diejenigen Fälle, die bei der Polizei zur Anzeige gebracht wurden. Das tatsächliche Gewaltgeschehen und damit das Dunkelfeld nicht angezeigter Fälle wird sowohl bei Frauen als auch bei Männern erheblich höher eingeschätzt.
Im Februar 2024 wurde die repräsentative Dunkelfeldstudie des KfN (Kriminologisches Forschungsinstitut Niedersachsen) veröffentlicht. Sie zeigt, dass 54,1 Prozent der Männer mindestens einmal in ihrem Leben von Partnerschaftsgewalt betroffen waren, wobei „leichtere“ Formen (z. B. Ohrfeigen) häufiger genannt wurden als „schwerwiegendere“ Formen (z. B. Würgen, Einsperren). Die Studie unterscheidet zwischen körperlicher, psychischer, sexualisierter und digitaler Gewalt sowie Kontrollverhalten. 32,5 Prozent aller befragten Männer berichteten, von zwei oder mehr dieser Gewaltformen betroffen gewesen zu sein. (zur BFKM-Auswertung der Studie)
Damit wird deutlich, dass gewaltbetroffene Männer in Deutschland eine nicht zu vernachlässigende Größe darstellen. Es sollte selbstverständlich sein, dass Männer Hilfe finden, wenn sie von Gewalt betroffen sind. Deshalb gibt es spezialisierte Gewaltberatungsstellen, einige davon halten Schutzwohnungen für Männer oder auch geschlechtsunabhängige Schutzwohnungen vor.
Zugleich zeigt die Studie die zumeist vielschichtige Komplexität von Gewaltbeziehungen, denn 73 % der Betroffenen gaben zudem an, auch gewalttätig gegenüber ihrer/ihrem Partner*in geworden zu sein. Oft sind Täter*innen- und Opferrollen nicht klar abtrennbar.
Schutzhausplätze für Männer
Es gibt aktuell in Deutschland
- 12 Männerschutzwohnungen mit 43 Plätzen für Männer und ggf. deren Kinder
- Dazu gibt drei geschlechtsunabhängige Schutzwohnungen mit 5 Plätzen, wo Menschen jeden Geschlechts Zuflucht finden können, also auch Männer.
- Insgesamt sprechen wir demnach von bundesweit 15 Schutzwohnungen für Männer mit 48 Plätzen.
Dort können betroffene Männer und wenn gewünscht ihre Kinder eine Zeitlang unterkommen. Eine Beratung ist dabei natürlich unerlässlich. Denn die Beratungsgespräche helfen auch, die eigene Zukunft nach der Zeit in der Schutzwohnung zu gestalten.
Die am längsten bestehende Schutzwohnung (seit März 2002) existiert in Oldenburg und wird ehrenamtlich betrieben. Der Freistaat Sachsen förderte seit 2016 drei Männerschutzwohnungen in Leipzig, Dresden und Plauen als Pilotprojekt. Seit 2022 sind diese Einrichtungen mit einer regulären Projektförderung versehen. 2023 kam eine Männerschutzwohnung in Chemnitz dazu, die Schutzwohnung in Plauen steht als geschlechtsunabhängige Schutzwohnung auch für Männer offen. Nordrhein-Westfalen (NRW) fördert fünf Männerschutzwohnungen in Düsseldorf, Köln, Mönchengladbach-Rheydt, Bielefeld und Warendorf. Bayern fördert (ebenfalls als Modellprojekt) zwei Männerschutzwohnungen in Augsburg und Nürnberg. Ein weiteres Schutzwohnungsangebot kann in Stuttgart von gewaltbetroffenen Männern genutzt werden. Im Baden-Württembergischen Bruchsal sowie in Bergen auf Rügen gibt es zudem jeweils eine geschlechtsunabhängige Schutzwohnung.
Bedarfe
Landesregierungen, Landespolitiker*innen, Netzwerke, Träger und Initiativen setzen sich für die Schaffung weiterer Männerschutzeinrichtungen ein. Weitere Projekte in Berlin, Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Thüringen stehen in den Startlöchern. Derzeit fehlt es dort jedoch an den notwendigen Finanzen und Fördermitteln.
Die BFKM empfiehlt in Anlehnung an die Kienbaum-Kostenstudie zum Hilfesystem für Betroffene von häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt mindestens einen Familienplatz für Männer und ihre Kinder pro 200.000 Einwohner*innen.
Weitere männerspezifische Beratungsangebote, u. a. zu den Themen Gewalt (Täter- und Betroffenenberatung), Gesundheit, Sexualität, Obdachlosigkeit, Vaterschaft, Jungenarbeit, Arbeit oder Ältere Männer finden Sie bei unseren Kolleg*innen vom Männerberatungsnetz.
Von häuslicher Gewalt betroffene Frauen finden auf dem Portal der Zentralen Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser (ZiF) oder der Frauenhauskoordinierung jeweils eine Suchlandkarte.
* Wie wir gendern.